Montag, 26. September 2011

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Der letzte Ton ist erklungen. Ich bin immer noch ganz geflashed von der Musik, die mich schweben lässt, jedes Mal aufs Neue. G. steigt von der Bühne und kommt auf mich zu. Das schwache Licht betont seine Tattoos, er ist das Abbild eines Rock'n'Roll-Stars. "Es war wundervoll.", flüster ich und drücke ihn an mich. Wir scherzen ein bisschen miteinander herum und ich denke, von außen betrachtet würde man nicht vermuten, dass wir etwas miteinander hatten vor langer Zeit. Er gibt mir ein Bier aus und zusammen gehen wir zu seinem Manager. "Hab 'n paar echt schöne Bilder von dir gemacht, M., du hast getanzt, als wärst du in Trance!" War ich auch, entfernt von allem, sogar von P. der hinter mir stand.

Meine Füße schmerzen und ich ziehe die schwarzen High Heels aus, um auf Socken den langen Weg zum Bahnhof zu bestreiten. Mein Kopf ist gefüllt mit den atemberaubenden Klängen der Band und der Tatsache, dass ich mich endlich mit G.'s Exfreundin vertragen habe. Schritte erklingen neben mir und werden langsamer, als sie mich erreicht haben. P. ist mit uns mitgekommen, anstatt mit seinen Freunden im Auto zu sitzen. Er riecht nach Schweiß und ihm. Wenn ich wüsste, was für ein Duft das ist, den er aufgetragen hat, würde ich ihn kaufen und mein Bett damit parfümieren, denke ich und muss schmunzeln. "Alles gut?", fragt er und sieht mich strinrunzelnd an. "Alles gut!", antworte ich, während ich mich wunder, wieso er überhaupt mit mir redet, schließlich hatte er mir vor einem Monat gesagt, er könne mich nie lieben, weil ich psychisch krank sei.
Am Bahnhof angekommen, hocken wir uns auf den Boden. Ich lehne ich mich an ihn, betrachte die Sterne. Die Leute um mich herum, fangen mit betrunkenen Diskussionen an, während ich vor mich hin träume. Es ist einsam hier, kalt und leer, aber mit P. an meiner Seite habe ich mich schon immer sicher gefühlt, wieso auch immer. Ich drehe mir eine Zigarette und bin das erste Mal froh über die dünnen Blättchen, die dafür sorgen werden, dass meine Hand die nächsten Minuten etwas zu tun hat. "Das sieht immer so schön aus, was du trägst", sagt G.'s Ex und ich lächel sie an, weil es das erste Mal ist, dass sie etwas nettes zu mir sagt. Kurz darauf ist eine weitere Strumpfhose von mir ein Laufmaschengestrüpp. Meine Zigaretten haben sich noch nie gut mit Strumpfhosen verstanden. Was solls, mir könnte es gerade nicht besser gehen. Bin im Einen mit mir selbst und spüre P.'s Wärme hinter mir.

Am Zoo angekommen, übermannt mich mein Hunger. Ich will gar nicht mit P. nach Hause fahren, weiß, dass das meistens Komplikationen mit sich bringt, also gehe ich schnurstracks zu BurgerKing und sorge dafür, mich morgen fett zu fühlen. Es ist halb 3, der Bahnhof menschenleer, bis auf P, der mich auf der Treppe sitztend erwartet. Ich hocke mich daneben und er legt seinen Arm um mich. Seine Berührung ist wie ein Segen und Fluch zugleich und ich drehe mich weg, damit er nicht sieht, wie zwiegespalten ich bin. "Dreh dich zu mir", fordert er, bevor er mich auf die Wange küsst. Langsam lasse ich mich in seine Arme gleiten und werde von einer Welle des Glücks überrollt.  
Ich liebe ihn.

Wir laufen die Straße zu meinem Haus entlang. Er zieht mich zu sich, will, dass ich ihn küsse, aber ich blocke ab. "Deine arme Freundin" Ich entziehe mich ihm und gehe langsam weiter bis er sich entschließt, mir nachzurennen. Es sind nur ein paar Sekunden vergangen und trotzdem hat sich meine Meinung geändert. Ich küsse ihn zurück, spüre seine weichen Lippen auf meinen, genieße es, wie er mich fester an sich drückt und wünsche mir, er würde mich nie wieder loslassen. Wir lösen uns trotzdem irgendwann voneinander, ich nehme seine Hand und wir schlendern weiter. Zwischendurch bleiben wir stehen, um uns wieder und wieder zu küssen. Kurz vor meiner Haustür will seine Hand in meine Hose wandern. Ich lasse mich auf den Boden gleiten, um ihr zu entwischen und er legt sich halb auf mich drauf. Stille. "Hätte was, wenn wir jetzt hier miteinander schlafen würden", scherze ich herum. "Würdest du's tun?", fragt er und seine Hände sind plötzlich überall. "Wenn ich deine Freundin wäre...", ich stehe wieder auf, helfe ihm hoch und ziehe ihn vor meine Tür. "Darf ich noch mit hoch?" Ohne ein Wort falle ich ihm in die Arme und immer noch umschlungen kommen wir in meiner Wohnung an.

Sein Atem wird lauter, schneller. Ich weiß, was er will, will es selbst so sehr, dass es mich auffrisst. "Ich liebe dich...ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich." Mein Körper versteift sich, ich liege wie ein Brett unter ihm, während er die drei Worte immer wieder wiederholt. Er liebt mich? Er? Eine Wärme durchflutet meinen Körper, ich kann kaum atmen, kann kaum denken.  
Er liebt mich.

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Weinen hilft nicht immer. Manchmal kann weinen schön sein, es drück Gefühle aus, zeigt, dass einem etwas am Herzen liegt. Es kann befreiend sein und gut tun. Manchmal macht es alles nur noch schlimmer. Wenn man nicht aufhören kann, wenn es nicht befreiend sein kann, weil es nichts gibt, was einem helfen könnte, den Schmerz zu vergessen.
"Es war ein Fehler, ich will das gar nicht, will dich nicht, bin schließlich glücklich mit meiner Freundin!"
Ich liege auf dem harten Boden neben meinem Bett. Nie wieder möchte ich mich hineinlegen, denn es riecht nach unserer gemeinsamen Nacht. Die Tränen, die seit heute Mittag aus meinen Augen hervorquellen, haben sie gerötet und aufquellen lassen, aber wen kümmert das schon. P. am wenigsten und für jemand anderen lohnt es sich nicht, schön zu sein. Seine Worte schwirren in meinem Kopf herum. Als ich heute morgen aufwachte, war ich der glücklichste Mensch der Welt. Er liebt mich. Er würde alles für mich tun. Diese Worte, seine Worte haben meine Hoffnung sich entfalten lassen. Ein weiteres Mal. Ich fühle mich, als würde ich sterben. Als würde ich innerlich zerreißen und verbluten. Wer hätte gedacht, dass psychischer Schmerz so physisch sein kann.

7 Kommentare:

  1. vielen dank, das ist sehr lieb von dir

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  2. oh ja, da bin ich ganz deiner meinung :)
    xx

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  3. Woah, krasser Text.
    Und dieses Arsch! Ehrlich, manche Kerle . . .

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  4. wir haben solch ein glück mit kerlen
    plus viel ironie

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  5. danke <3

    " Es sind nur ein paar Sekunden vergangen und trotzdem hat sich meine Meinung geändert. Ich küsse ihn zurück, spüre seine weichen Lippen auf meinen, genieße es, wie er mich fester an sich drückt und wünsche mir, er würde mich nie wieder loslassen. "
    plötzlich ändert man doch seine meinung
    weil man einfach nur gehalten werden will und vergisst dabei, dass es falsch ist..
    krank, fast genauso ist es mir auch passiert, nur dass ich bevor noch irgendwas passieren konnte nach hause gegangen bin.. ARSCHLOCH! aber wunderschön geschrieben. <3

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  6. ist dir das alles selber passierd?♥

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