Mittwoch, 14. September 2011

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"Komm dort sofort hinunter!" Eine bekannte Stimme reißt mich aus meiner Konzentration. Viel zu bekannt. Am liebsten Unbekannt. „Komm du doch rauf, P.!“, rufe ich dem Jungen mit dem verfilzten blonden Haar und dem grünkarierten Hemd zu. Seine Augenbrauen heben sich und sein Gesicht scheint sich noch mehr zu verzerren als zuvor: "Ich bin doch nicht verrückt!"
Verachtend lächelnd blicke ich auf ihn herunter, vergesse, was sein Wesen in mir auslöst und stolper beinahe vom rostigen Geländer. Ich fange mich wieder, fühle mich wie eine Seiltänzerin hier oben über den Dächern der Stadt: "Ich glaube, dass nur die verrückten Menschen überleben, also so richtig überleben, weißt du? Das Leben genießen, aber nicht alles hinnehmen wie es ist. Und auf den Stolz scheißen, weil man doch seine Gefühle ausleben muss, oder nicht? Die Gefühle machen einen doch aus und man sollte sich nicht schwach fühlen, wenn man sie ausspricht und danach handelt!" Nun beginnt er doch die Leiter anzusteuern. Nachdem er sich einen Weg zwischen denen, die in sich zusammengekauert ihren Rausch ausschlafen, gebahnt hat, klettert er zu mir hinauf.  Sein Blick ist sanfter, während er meine Hände nimmt und mich behutsam auf das Dach zieht. Ich lasse mich auf die Dachziegel sinken und betrachte den Fluss unter meinen Füßen, der durch die Morgensonne funkelt, als wäre er gefüllt mit hellen Sterne. Er hockt sich neben mich, fährt mit seinem Finge über meine Wange und reibt mit dem Daumen über seine nun schillernde Fingerkuppe: "Du siehst schön aus, Glitzerfee." 
Meine Gedanken lassen die Nacht Revue passieren, fangen bei den dunklen leer stehenden Häusern an und den großen unterirdischen Räumen, aus denen Musik schallte. Ich erinner mich daran, wie die Leute,die nun dort unten liegen, tanzten,wie ich inmitten ihrer tanzte als gäbe es nichts auf der Welt, das wichtiger sein könnte. Und schließlich besinne ich mich auf das Mädchen mit dem Glitzerpulverdöschen und ihre Freunde. "Waren ziemliche Drogenjunkies, mit denen du vorhin unterwegs warst, gehörst du da jetzt auch zu?" Seine blaugrauen besorgten Augen bohren sich in meine, ich will mein Gesicht abwenden, aber er hält es fest in seinen Händen. Er ist mir zu nah, engt mich ein, lässt alte Gefühle wieder aufleben, die ich längst eingekapselt geglaubt hatte. Trotzig sehe ich ihn an: "Das geht dich am wenigsten etwas an", sage ich, schlage seine Arme beiseite und kletter die blaue, fast vollständig abgeblätterte Leiter hinunter. Unten angekommen, fische ich mein Handy aus meiner Tasche und tippe ungeduldig an eine mir bis letzte Nacht unbekannte Nummer. "Habe mich umentschieden, einmal probieren wird schon in Ordnung gehen.Bis gleich."
Das Lied summend, das einmal unseres war, kletter ich durch das kaputte Fenster auf die Straße und komme mir dabei furchtbar melodramatisch vor.

5 Kommentare:

  1. richtig guter blog!
    folge dir jetzt, mach weiter so! :)

    xx
    Brooklynn

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  2. Ich kenne dieses Gefühl, bin ich es doch oftmals selber, der mich umhaut, weil ich einfach mal zu viel denke.
    Ich behaupte oft, es ist ein Schutz, der reine Überlebensinstinkt eines verletzten Menschen. Durch mein ständiges Überlegen, dem zerdenken, vernichte ich alle schädlichen Dinge die in mein Leben kommen wollen. Doch ist das wirklich so? Übertreibe ich nicht ab und an nur, weil ich zu negativ denke?

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  3. hey♥
    toller blog...
    wenn du vor hast ein buch daraus zu machen kauf ich es! Aber P. und das Mädchen müssen glücklich werden. Dann wäre es bestimmt ein buch das super gut wir.♥ Irgentwie mag ich P. er erinnert mich an meinen helden.

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  4. ganz aufregend in der großen stadt einen so ruhigen ort zu finden!
    xx

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